Informationsbesuch in der Konzernzentrale zum Thema „Electric only“
Daimler sieht seine zukünftige Rolle als Premiumhersteller, der Elektroautos im hochwertigen Segment produzieren will. Bei einem ersten Informationsaustausch mit Repräsentanten aus der Abteilung „Politik und Außenbeziehungen“ erfuhr ich vor Kurzem, was hinter der Strategie „Electric only“ steckt, wo das Unternehmen in Zukunft seine Märkte sieht und wie es über die Bestandsflotte denkt.
Mit Stolz wurde mir die neue, rein elektrische Luxuslimousine EQS vorgestellt. Der Wagen hat eine Reichweite von bis zu 780 km, 385 Kw-Leistung und eine Ladezeit von 31 Minuten. Einstiegspreis aber 107.000 Euro. Auf den EQS folgen weitere Elektro-Modelle, im Jahr 2022 dann auch zwei SUV-E-Varianten.
Doch wer kann sich solche Premiumfahrzeuge leisten? Was geschieht, wenn die Subventionen für die E-Mobilität in Deutschland irgendwann eingestellt werden und die Fahrzeuge sich auf dem freien Markt behaupten müssen? Sollte sich die E-Mobilität nicht global durchsetzen, wie viele Arbeitsplätze wären in Baden-Württemberg gefährdet? Ich sehe die die komplette Focussierung von Daimler auf E-Mobilität sehr kritisch.
Bestandsflotte noch länger auf den Straßen
Ein Grund: Ich habe die Bestandsflotte im Auge, die weit über das Jahr 2025 hinaus weltweit produziert und genutzt wird. Die Lebensdauer eines Daimler-Fahrzeugs beträgt 20-25 Jahre, diese werden nicht einfach von der Erdoberfläche verschwinden. Bedauerlich, dass Daimler die Notwendigkeit, den Bestand an Verbrennungsmotoren über Refuels zu defossilisieren, nicht auf der Agenda hat.
Die Daimler-Vertreter ließen keinen Zweifel an der vom Vorstandsvorsitzenden Ola Källenius im Mai 2021 präsentierten „Electric-Only-Strategie“: Selbst wenn E-Fuels heute zugelassen wären, würde man nichts mehr an der Unternehmensstrategie ändern. Lediglich bei „Daimler Truck“ gebe es eine Kooperation mit Volvo im Bereich wasserstoffbasierter Brennstofftechnologie.
Regionen ohne Stromnetz – was geschieht hier?
Ich fragte nach, wie wohl die E-Mobilität in den Ländern ankommen wird, die sich staatliche Subventionen für diese Fahrzeuge nicht leisten können, beispielsweise in Afrika. Mehr als 580 Millionen Menschen auf dem afrikanischen Kontinent haben keinen Zugang zu Strom und leben teilweise noch in Lehmhütten. Diese Regionen könnten für den Absatz von Gebrauchtwagen aber wichtig werden, denn das Bedürfnis der Menschen nach individueller Mobilität steigt auch in Schwellenländern mit zunehmendem Wohlstand. Die Daimler-Vertreter meinten, dass man sich nur auf drei Märkte konzentriere: Europa, USA und China.
Standort Stuttgart und Arbeitsplatzsicherung
Laut Medienberichten sollen standortübergreifend bei Daimler 10.000 bis 15.000 der weltweit rund 300.000 Stellen abgebaut werden. Am Stammsitz in Stuttgart-Untertürkheim sind es nach Betriebsratsangaben 21% Stellen bis zum Jahr 2025. Der Abschied vom Verbrennungsmotor wird jede zehnte Stelle von insgesamt 800.000 Arbeitsplätzen in der Automobilindustrie in Deutschland kosten.
Die Electric-only-Strategie von Daimler ist für mich der falsche Weg. Denn nicht der Verbrennungsmotor ist das Problem, sondern der fossile Kraftstoff. Wenn wir die Klimaziele erreichen wollen und Arbeitsplätze in unserer Schlüsselindustrie erhalten wollen, müssen wir alle technischen Möglichkeiten nutzen anstatt einzelne Bereiche einschränken. Ein Fahrzeug mit Verbrennungsmotor, das mit klimaneutralen Kraftstoffen betrieben wird, darf nicht anders als ein E-Fahrzeug bewertet werden.
Mein Fazit: Dass Daimler nur auf schöngerechnete E-Mobilität setzt und keine Verantwortung für die Bestandsflotte übernehmen will, schockiert mich. Diese Strategie führt zur Verlagerung von Produktion und Arbeitsplätzen weg aus Deutschland. Unser Anspruch muss aber sein, die deutsche Spitzenposition im Technologiewettbewerb zu verteidigen, anstatt tatenlos zuzusehen, wie die Arbeitsplätze und das Know-how unserer Ingenieure in Länder mit mehr Technologieoffenheit und weniger ideologie-getriebenen Klimaschutzauflagen abwandern.