Rund 28.500 Haushalte, 1400 Firmen und 380 öffentliche Einrichtungen in Stuttgart werden vom Heizkraftwerk Münster mit Fernwärme versorgt. Derzeit werden die Anlagen noch mit Kohle und Heizöl betrieben. Nun startet der Betreiber EnBW das Projekt „Full Switch“. Ziel: Durch eine Kombination aus Gaskesseln zur direkten Wärmeerzeugung und Gasturbinen wird der Standort bis 2025 kohlefrei gemacht. Wichtigster Effekt: Der Ausstoß von CO2, Feinstaub und Schwefeloxiden wird um 45 bzw. fast 90 % reduziert und bringt dem Stadtklima am Neckar eine Entlastung.
Auf Einladung der EnBW lernte Friedrich Haag den Standort kennen, zum dem auch die Müllverbrennungsanlage gehört. Mit Guido Bauernfeind (Betriebsleiter), Andreas Pick und Michael Eckert (Gesamtprojektleiter Fuel Switch bzw. Projektleiter Münster) hatte er sehr kompetente Ansprechpartner, die ihm das derzeitige und das zukünftige System genau erklärten.
„Wir Stuttgarter fahren so oft an dem Gelände vorbei und sehen von außen nur die großen Türme. Was aber in den Hallen und Anlagen genau passiert und wie wichtig das Kraftwerk für unsere Stadt ist, wissen die wenigsten“, zeigte sich der FDP-Landtagsabgeordnete beindruckt. Haag begrüßte die Modernisierung und die Möglichkeit, über die Gasturbinen mit Kraft-Wärme-Kopplung effizient Strom und Wärme parallel zu erzeugen. Fuel Switch trägt dazu bei, die Kohleverstromung zu beenden und das Ziel der EnBW „Klimaneutralität 2035“ zu erreichen.
Strom und Fernwärme im Paket
„Wir haben die Möglichkeiten, die uns die Regelungen zum Kohleausstieg und die konkreten Rahmenbedingungen in Stuttgart geben, intensiv abgewogen“, erklärt Dirk Güsewell, Leiter der Portfolio-Entwicklung der EnBW-Energieerzeugung: „Unser Ziel ist, durch zukunftsgerichtete Investitionen in erheblichem Umfang Emissionen zu verringern und zugleich die Versorgung mit Strom und Fernwärme in Stuttgart zu sichern“.
Derzeit arbeiten in Münster noch drei kohlebefeuerte Kessel aus den 1980er und 90er Jahren sowie drei heizölbetriebene Turbinen. Gemeinsam mit der Abfallverwertungsanlage speisen die Kohlekessel in die sogenannte „Dampfsammelschiene“ ein, aus der heraus Turbinen zur Strom- und Fernwärmeerzeugung angetrieben werden. Das neue Konzept sieht anstelle der kohle- und heizölbetriebenen Anlagen eine Kombination aus Gaskesseln zur direkten Wärmeerzeugung und von Gasturbinen vor. Letztere produzieren nach dem Prinzip der Kraft-Wärme-Kopplung über einen Abhitzekessel Dampf, der dann besonders effizient Strom und Wärme zugleich erzeugen kann.
Vorteile bei Emissionen und Lärmschutz
Fest steht schon jetzt: Der geplante Umbau wird zu erheblichen Verbesserungen beim Ausstoß von klimaschädlichem CO2 führen. „Eine vergleichbare Bestandsanlage auf Kohlebasis würde rund 60 Prozent mehr CO2 ausstoßen“, schätzt Projektleiter Michael Eckert. Pluspunkte für die Anwohner: Durch den Wegfall des Kohlelagers und der Rauchgasreinigung gäbe es weniger Lärm und weniger Verkehr. Die geplanten Anlagen benötigen darüber hinaus keine zusätzliche Kühlwasserentnahme aus dem Neckar.
Erdgas als Brückentechnologie – Großwärmepumpe wird erprobt
Beim Besuch von Friedrich Haag MdL vor Ort ging es auch um das große Ziel einer klimaneutralen Wärmeversorgung. Erdgas, so die EnBW-Experten, sehe man als „Brückentechnologie“. Für das Kraftwerk Münster heißt dies: Die neuen Turbinen sind so ausgelegt, dass sie „grüne Gase“ wie Wasserstoff aus erneuerbaren Energien sofort mitverbrennen könnten.“ Auch eine vollständige Umrüstung wäre in wenigen Schritten möglich.
Einen weiteren Beitrag für dem Umweltschutz könnte eine neuartige Großwärmepumpe leisten: In einem vom Bundeswirtschaftsministerium geförderten Modellprojekt soll sie die Restwärme aus dem Kühlwasser der Stromerzeugung und der Müllverbrennung zur Energiegewinnung nutzen und damit den Wirkungsgrad der Gesamtanlage nochmals erhöhen.
Pilotprojekt der EnBW in Stuttgart
Das mögliche Investitionsvolumen in Stuttgart-Münster schätzt die EnBW aktuell auf über 200 Millionen Euro. Unter anderem muss die Werkstatt an den westlichen Rand des Areals verlegt werden, um Platz für die Anlagen zu schaffen. Der Zeitplan sieht vor, dass 2023 die Bauarbeiten beginnen und im ersten Halbjahr 2025 die neuen Turbinen das erste Mal hochfahren. Ähnliche Vorhaben plant die EnBW an den Standorten Heilbronn und Altbach bei Esslingen.
(Copyright Foto: EnBW/COS Systemhaus)