Unser ExpertenTalk „Synthetische Kraftstoffe – Bausteine für gelingenden Klimaschutz„:
Die globalen Chancen von E-Fuels sowie deren unverzichtbare Beiträge für einen schnellen Klimaschutz, insbesondere in der Bestandsflotte von Fahrzeugen, diskutierte ich mit Experten am 26. Juli 2022 in einem Online-Talk.
Meine Gesprächspartner waren Dr. Carola Kantz (Stellvertretende Geschäftsführerin der Arbeitsgemeinschaft Power-to-X for Applications des Verbands Deutscher Maschinen- und Anlagenbau e. V. (VDMA)), Carsten Beuß (Hauptgeschäftsführer des Verbands des Kraftfahrzeuggewerbes Baden-Württemberg e.V. (VDKBW)) sowie Eike Mönneke (Geschäftsführer E-Fuel GmbH und Mönneke Energiehandel).
Frau Dr. Kantz betonte, dass die eigentliche Problematik der Markthochlauf sei. Würde bei E-Fuels nur auf den Flugverkehr und die Schifffahrt gesetzt, so könnten diese die erforderlichen Kosten nicht stemmen. Nötig ist deshalb die Einbeziehung des Straßenverkehrs. Über Beimischungen können die Nachfragemengen entstehen, die den Markt für Elektrolyseure hochlaufen und die Kosten drastisch sinken lassen. Der Erhalt von Kompetenzen und Produktion von Verbrennungsmotoren ist vor allem auch für Anwendungen in der Landwirtschaft, bei Baumaschinen oder Schiffen unverzichtbar.
Dr. Carola Kantz: „Entscheidung von Luxemburg absichern“
Das geht aber nicht nur in dieser Nische, sondern braucht den Fahrzeugbau. „Es wäre industriepolitisch dramatisch, wenn wir in Europa die Motorentechnik beenden und uns dann in wenigen Jahren in die Abhängigkeit von China begeben und dort für die unverzichtbaren Bereiche diese Antriebe kaufen. Wir haben jetzt ein halbes Jahr Zeit, im Trialog-Verfahren nach der Entscheidung von Luxemburg die Sicherung für Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren nach dem Jahr 2035 abzusichern. Entfällt aber der so genannte Erwägungsgrund wieder, gibt es keine Perspektive mehr“, mahnte Dr. Kantz.
Eike Mönneke ergänzte: „Eine absehbare Nachfrage ist die Voraussetzung für Investitionen in E-Fuels. Die EU bremst sich hier bisher selbst aus. Diese Denkblockaden müssen endlich überwunden werden. Synthetische Kraftstoffe können ohne Umbauten in den Fahrzeugen verwendet werden. Werden E-Fuels dort produziert, wo erneuerbare Energien praktisch im Überfluss vorhanden sind, sinken die Preise. Ein Niveau von 80 Cent bis einem Euro ist machbar. Neben einer Berücksichtigung bei der EU-Flottengrenzwertregulierung sollte auch die Energiebesteuerung angepasst werden.
Diese stellt bisher in keiner Weise darauf ab, wie viel fossiles CO₂ zusätzlich in die Atmosphäre kommt. Mit E-Fuels ist ein geschlossener CO₂-Kreislauf und damit Klimaschutz möglich. Dass E-Mobilität mit Null CO₂ angerechnet wird, ist ein Unding und entspricht in keiner Weise der Realität. Denn selbst die 420 Gramm CO₂ je Kilowattstunde Strom sind ein Durchschnittswert. Wir erleben ja, was derzeit los ist wenn alte Braunkohlekraftwerke wieder angeworfen werden.“
Carsten Beuß: „Selbst Mobilitätsform auswählen“
Die preisliche Dimension griff auch Carsten Beuß auf: „Wir haben in Europa eine Knappheit an Raffineriekapazitäten. Hier wird auch niemand mehr neu investieren. Das Preisniveau konventioneller Kraftstoffe ist in jüngster Zeit deutlich gestiegen und wird hoch bleiben. Die Frage der Preisdifferenz zu E-Fuels ist also relativ. Technologieoffenheit ist für mich das A und O.“
Im Weiteren ging es um das politische Klima gegenüber dem motorisierten Individualverkehr und Begrifflichkeiten wie Verkehrswende und Nullemissionszonen. Hier sah Beuß einen Angriff auf die individuelle Freiheit, wenn man nicht mehr selbst aussuchen könne, welche Mobilitätsform zu einem passt. Auch unterstrich er mit Hinweis auf die Katastrophe im Ahrtal 2021 wie unverzichtbar es ist, dass Feuerwehr, Polizei und Rettungsdienste jederzeit und für lange Stunden voll einsatzfähig sind. Das ist bisher batterieelektrisch nicht möglich.
Friedrich Haag: „Müssen unseren Technologievorsprung behalten“
Mein Statement in der Runde: „Wer Klimaschutz ernst nimmt, kommt an synthetischen Kraftstoffen nicht vorbei. Wir haben weltweit 1,3 Milliarden Autos. Selbst wenn man in Europa ab 2035 nur E-Autos will, hilft das dem Klima wenig. Denn diese sind in Wahrheit alles andere als klimaneutral, Stichwort Energiemix. Das Ziel-Jahr 2035 bedeutet aber auch, dass konventionelle Autos bis mindestens Mitte des Jahrhunderts fahren. Hierfür braucht es eine Lösung. Ohnehin gehen die USA und China andere Wege.
Der Markthochlauf braucht eine Abnahmegarantie. Hier steht auch unsere Landesregierung in der Verantwortung. Ich bin froh, dass die FDP in der Bundesregierung in Luxemburg durchsetzen konnte, dass es eine Perspektive für Verbrennungsmotoren nach 2035 gibt. Wir müssen die Chance nutzen, unseren Technologievorsprung zu erhalten. Und es braucht ein klares Bekenntnis zu synthetischen Kraftstoffen. Ich werbe für Energiepartnerschaften mit Regionen, wo erneuerbare Energien im Überfluss vorhanden sind. Dort Giga-Anlagen zu bauen und die Rohstoffe hierher zur Veredlung zu bringen, ist das Gebot der Stunde. So machen wir es im Übrigen mit Rohöl seit jeher.
Wir erleben doch aktuell, wie fatal es ist, sich in Abhängigkeiten zu begeben. Und das Dümmste sind Ausstiegsdebatten ohne zu wissen, wie es weitergeht. Nach der gescheiterten Energiewende darf es keinen zweiten Sündenfall im Verkehrsbereich geben.“
Der Talk kann eingesehen werden unter: https://fdp-landtag-bw.de/livestream/synthetische-kraftstoffe/