Die autofreie Innenstadt ist keine Lösung, wenn wir den modernen Mobilitätsbedürfnissen der Menschen gerecht werden wollen. Zusätzlich hat dieses Modell erhebliche Auswirkungen auf den lokalen Einzelhandel. Wie können wir das Auto zielführend in moderne und klimafreundliche Mobilitätsstrategien integrieren? Mit welchen Verkehrskonzepten schaffen wir es, die unterschiedlichen Mobilitätsbedürfnisse der Menschen, den Klimaschutz und einen florierenden Einzelhandel in Einklang zu bringen?
Darüber habe ich auf dem Podium der Friedrich-Naumann-Stiftung am Mittwoch, 18. September, gemeinsam mit Vertreterinnen des Baden-Württemberg-Instituts für nachhaltige Mobilität und des Instituts Stadt Mobilität Energie GmbH, gesprochen. Die Diskussion unter dem Motto „Mobilität in der Stadt“ im voll ausgelasteten Tagungsraum in der Theodor-Heuss-Straße in Stuttgart-Mitte war demnach mein persönlicher Kick-Off in die Europäische Mobilitätswoche.
„Lebenswert“ beinhaltet alle Mobilitätsarten
Zu einer lebenswerten Innenstadt gehören alle Mobilitätsarten. Das bedeutet auch, dass diese auch gut mit dem Pkw erreichbar ist. Das gilt nicht nur für mobilitätseingeschränkte Menschen. Das Auto ist weiterhin das beliebteste Verkehrsmittel der Menschen. Auch der ohnehin angeschlagene stationäre Einzelhandel würde unter einer autofreien Innenstadt leiden. Denn größere Einkäufe will niemand durch die halbe Stadt tragen oder mit dem Bus nach Hause bringen. Ein Beispiel hierfür sind die großen Sorgen der Händler in der Stuttgarter Markthalle. Sie bangen durch den geplanten Abbau der letzten Park- und Halteflächen direkt an der Markthalle um ihre Existenz. Schon der Verlust der Parkplätze am Karlsplatz, wo im Rahmen eines unsinnigen grünen Verkehrsexperiments unpraktische Sitzmöbel und Gitterbänke platziert wurden, macht den Händlern zu schaffen. Wir müssen deshalb bezahlbare Parkplätze in der Innenstadt erhalten.
Warum ist die autofreie Innenstadt keine Lösung?
Mit seiner Kessellage hat Stuttgart eine ganz besondere Topografie. Stuttgart ist keine Fahrradstadt und das kann man auch nicht erzwingen. Es ist eine Utopie, dass man Stuttgart einfach die Mobilitätskonzepte von Städten wie Den Haag oder Kopenhagen überstülpen könne und damit seien alle Mobilitätsprobleme gelöst. Stattdessen müssen die konkreten Bedarfe und Mobilitätsbedürfnisse vor Ort ermitteln und Konzepte entwickeln, die in Stuttgart auch tatsächlich umsetzbar sind. Das geht nicht, ohne mit den Menschen ins Gespräch zu kommen. Die Lösung darf deshalb nicht heißen „Fahrrad oder Auto oder ÖPNV“, sondern „Fahrrad und Auto und ÖPNV“. Wir sollten von der Diskussion zwischen „keine Autos“ oder „viele Autos“ in der Innenstadt wegkommen und stattdessen fragen: Wie finden wir einen Mittelweg?
Weg von ideologischen Vorschriften
Im Stuttgarter Stadtgebiet haben wir mit den Stuttgarter Straßenbahnen zum Glück einen sehr verlässlichen öffentlichen Nahverkehr. Bei der Planung der Mobilität der Zukunft spielt aber ein Faktor eine wesentliche Rolle: Die Zeit. Solange das Auto einen erheblichen Zeitvorteil, gepaart mit einem Komfort- und eventuell auch Kostenvorteil bietet und der ÖPNV – wie bei der S-Bahn – zuverlässig unzuverlässig bleibt, wählen die Menschen natürlich das Auto. Diese Wahlfreiheit sollten wir den Menschen weiterhin zugestehen. Die Politik sollte den Menschen keine Vorschriften machen, auf welche Art und Weise sie mobil sein sollen. Politik sollte Verkehre ermöglichen, statt sie zu verhindern. Als Beispiel nannte ich unter anderem die Mischnutzung von Stellplätzen: Warum nicht den Stellplatz für verschiedene Verkehrsmittel nutzen, z.B. bei Neubau-Wohnungen? Ob man dort dann das Auto, das Fahrrad oder das Motorrad abstellt, sollte letztendlich jeder selbst entscheiden dürfen.
ÖPNV ausbauen – dort, wo es Bedarf gibt
Der ÖPNV-Ausbau sollte allerdings nur an Stellen erfolgen, wo es tatsächlichen Bedarf gibt. Eine zusätzliche Buslinie bringt beispielsweise keinen Nutzen, wenn sie nur Luft von A nach B transportiert. Dass während der Hauptverkehrszeiten auf dem Land mindestens alle 30 Minuten ein Bus fahren soll, wie Verkehrsminister Hermann es bei seiner „Mobilitätsgarantie“ plant, halte ich für unisinnig. Ein weiteres prominentes Negativ-Beispiel für Hermanns unnötige Projekte und ideologische Fehlplanung ist der X1-Bus, der mittlerweile richtigerweise abgeschafft wurde: Die Linie wurde mit 2,5 Mio. Euro Steuergeld geschaffen, während die Fahrgastzahlen nicht einmal der Rede wert waren. Auch die Luftqualität hat sich dort nicht verbessert.
Großes Interesse an der Mobilität
Im Anschluss an die Podiumsdiskussion hatten die Besucher noch die Möglichkeit, dem Podium Fragen zu stellen. Dabei merkte man, wie sehr das Thema Mobilität die Menschen bewegt. Sie möchten nicht, dass für sie die Entscheidung gefällt wird, wie sie sich fortbewegen. Auch beim anschließenden Get-Together kamen noch viele Besucher auf mich zu. Dabei waren wir uns einig: Es braucht eine bessere Vernetzung der unterschiedlichen Verkehrsmittel. Auch beim Verkehrsfluss gibt es in Großstädten wie Stuttgart großen Handlungsbedarf. Die Stau-Problematik in Stuttgart können wir beispielsweise mit einer Nord-Ost-Umfahrung entschärfen.